5.1.10

Palmenstämme als Wasserlieferanten?

Die ZDF Sendung am 3. Januar 2010, 19.30 Uhr, hat viele Fragen zur Folge

Diejenigen, die die Osterinsel etwas näher kennen, hatten nach der Sendung mit den beiden Wissenschaftlern Hans-Rudolf Bork und Andreas Mieth vom Institut für Ökosystemforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel einige Fragen. Zudem kam manchem Zuschauer der Verdacht auf, dass hier Thesen konstruiert wurden, um die Notwendigkeit für einen weiteren Film, der auch noch spektakuläre Ergebnisse vermitteln sollte, zu begründen.

Fragen:
Wieso wird die Verwendung von Geröllsteinen zum Schutz der Pflanzen der Bedeutung der Schaffung der weltweit einmaligen Moais gleichgestellt?

Wo kamen die über die ganze Insel verbreiteten Steine her?

Die These zur Wassergewinnung aus Palmenstämmen scheint sehr kurios.

Andererseits hat die Insel vermutlich auch in der Vergangenheit nie an Trinkwassermangel gelitten. Der poröse Lavatuff speichert bis zu einem Drittel seines Volumens das Regenwasser, welches bei Ebbe dem Meerwasser hinterher läuft und am Ufer der Insel austritt. Deshalb befanden sich einst auch die Siedlungen an der Küste.

Josef Schmid hat nachgerechnet:
"Die Insel ist mit Millionen Kubikmeter Regenwasser (164 km2 x 1,2 bis 2 Meter Niederschlag pro Jahr) gefüllt, das alle 6 Stunden bei Ebbe an der Küste gewinnbar ist. Noch heute verbrauchen die Menschen nur etwa 5% der gesamten Trinkwassermenge, trotz undichter Leitungen, Autowaschen,
verschwenderischen Waschmaschinen, täglich mehrmaligem Duschen und Gartensprenklern. Und das mit 3000 Autos, 7000 Einwohnern und 100'000 Touristen."

Stellungnahme von Hans-Rudolf Bork und Andreas Mieth

1. Die Technik der Steingärten besteht ja aus viel mehr als nur den manavai. Fast die Hälfte der Inseln wurde von Menschen Hand mit Steinen bedeckt (das ist die Technik der Steinmulchung), die jeweils aus nahe gelegenen Ministeinbrüchen entnommen wurden, deren Gestein natürlich vulkanischer Aktivität entstammt. Aber es ist eindeutig und unter Fachkollegen auch unumstritten, dass die Verteilung der Steine auf der Oberfläche nicht durch natürliche Prozesse, sondern durch Menschen erfolgte. Unsere Hochrechnungen ergaben, dass über eine Milliarde Steine in einem Zeitraum von 300 bis 400 Jahren von Menschen aus den Steinbrüchen herausgelöst / -gebrochen und auf der Oberfläche verteilt wurden. Die meisten Steine wurden dann bei den Pflanzvorgängen immer wieder bewegt, zur Seite genommen und wieder neu an die Pflanzen gelegt. Rechnet man Volumen, Gewichte und Wegstrecken der so transportierten Steine hoch, kommt man tatsächlich auf sehr viel höhere Werte als für den Arbeitsaufwand, der mit den Moai verbunden war. Die Dimension der Steinmulchung auf der Osterinsel ist nach allem, was wir wissen, erdweit einmalig.

2. Die Palmenrodung ist bewiesen, die Gewinnung von Palmsaft/Trinkflüssigkeit aus den abgeschlagenen Stämmen bislang nur eine spannende These. Allerdings denke ich, dass die These eine plausible ist. Heute wird das Trinkwasser aus Tiefbohrungen gewonnen. Das ist überhaupt nicht vergleichbar mit der damaligen Situation. Heute geht wohl kaum noch ein Einwohner an die Küste, um das nur lokal und auch nicht dauerhaft reichlich, sondern oft nur spärlich austretende Quellwasser im Gezeitenbereich aufzufangen. Die Qualität dieses Wassers im salzbeeinflussten Küstenbereich dürfte oft auch nicht besonders gut sein. Regenwasser versickert im porösen vulkanischen Gestein schnell und der Abfluss hängt sehr vom aktuellen Niederschlagsgeschehen ab. Ich gehe daher davon aus, dass die Versorgung aus den Seen eine wichtige Rolle spielte, auch wenn das Wasser eben nicht sehr gute Trinkwasserqualität hatte. Gerade von der Poike-Halbinsel, wo die großflächige Rodung vermutlich begann, waren die Wege zu den Seen extrem weit und der Abstieg am Kliff gefährlich und aufwendig. Und die Besiedlung um den Rano Kau dürfte gerade als ein Beispiel dafür gelten, dass "nicht autorisierte" Clans hier vielleicht einen nur eingeschränkten oder keinen Zugang hatten. Bitte sehen Sie die Flüssigkeitsversorgung aus den Palmen zunächst als eine These, von der wir hoffen, vielleicht eines Tages Belege dafür zu finden...
Andreas Mieth