23.11.14


Vortrag in Frankfurt/Main

Rätselhafte Osterinsel - ihre außergewöhnliche Natur- 

und Kulturgeschichte



Vortrag von Prof. Dr. Hans-Rudolf BorkChristian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Ökosystemforschung

Am 7. Januar 2015 18 Uhr Ausstellungssaal, Zoogesellschaftshaus, Eintritt frei
Telefon: 069 212337-35

 
Die Mythen und die Steinstatuen der Osterinsel, die Moai, faszinieren Europäer seit ihrem ersten Besuch im Jahr 1722. Vor mehr als einem Jahrtausend entstand die einzigartige Megalithkultur, vor drei Jahrhunderten verging sie. Seit 2002 erforschen Prof. Bork und sein Kieler Kollege Dr. Mieth die faszinierende Natur- und Kulturgeschichte mit geoarchäologischen und paläoökologischen Methoden.
Entgegen der Lehrmeinung zeigen die Untersuchungen der Kieler Forscher, dass nach der Erstbesiedlung über viele Jahrhunderte ein ertragreicher, nachhaltiger Gartenbau in Palmwäldern vorherrschte, der von 1200 bis 1600 n. Chr. verschwand. Auf vielen Rodungsflächen spülten Starkregen den fruchtbaren Boden ab. Rettete eine Innovation die kleine Population der Rapanui? Verursachte die vorangegangene Bodenzerstörung den ersten starken Bevölkerungsrückgang und den Übergang von der sonnenorientierten Moai-Kultur zum mystischen dunkelheits- und erdbezogenen Vogelmannkult? Oder bedingte die Nutzung der Palmen den Kulturwandel? Gab es einen Kollaps, oder haben gar Ratten den Wald zerstört?

9.11.14

Quelle: Spektrum News | 23.10.2014

Neue Erkenntnisse zur Herkunft der Osterinsulaner 

Polynesier entdeckten Amerikaner - und umgekehrt

Forscher sind immer sicherer, dass lange vor den Europäern Seefahrer über den Pazifik hin- und hergesegelt sind. Schon im Mittelalter kamen Amerikaner so auf die Osterinsel - und im Gegenzug polynesische Siedler bis nach Brasilien.

Die zweitgrößte nautische Leistung der Menschheit war die Eroberung der unbesiedelten pazifischen Eilande bis hin zum hintersten, der abgelegenen Osterinsel: Hier landeten wohl im Zuge einer über einige Jahrzehnte hin andauernden Expansion um das Jahr 1200 die ersten Pioniere; etwa 30 bis 100 Männer, Frauen und Kinder in Doppelrumpfkanus mit Auslegern. Schon lange vermuten Forscher, dass die erfolgreichen Seefahrer und ihre Nachkommen nicht auf immer und ewig in ihrer neuen Heimat blieben, sondern ab und an auch noch weiter nach Osten fuhren, wo der amerikanische Kontinent mit etwas Segelgeschick bei flauem und deshalb wenig störenden Passat-Gegenwind nicht zu verfehlen ist.
Erst von dort aus musste sich dann aber die allermutigste Tat der menschlichen Seefahrt anschließen: Die Reise von Südamerika aus über rund 3700 Kilometer zurück nach Westen, ohne dabei den winzigen Heimathafen Osterinsel im riesigen Stillen Ozean zu verpassen. Diese Fahrt dürfte tatsächlich gelungen sein, wie Genanalysen jetzt beweisen: Im Erbgut von Osterinsulanern finden sich Spuren von Genen, die eindeutig noch vor der Ankunft der Europäer aus Südamerika importiert wurden.
Mit Gefährten zurück nach Hause
Diesen Schluss ziehen der Evolutionsbiologe und Doyen der Erbgutanalyse alter Völker, Eske Willerslev von der Universität Oslo, nachdem er und sein Team die Gene von Ureinwohnern der Osterinsel einer genauen Untersuchung unterzogen haben [1]. Dabei achteten sie insbesondere auf verräterische Abschnitte in der DNA, die Vermischungen der Insulaner und ihrer Ahnenreihe mit Volksstämmen aus anderen Weltgegenden belegen. Ergebnis: Die einheimischen Rapanui sind, wie erwartet, größtenteils genetische Polynesier und am nächsten verwandt mit Bewohnern der Cook-Inseln. Zudem aber tragen sie 16 Prozent europäische und etwa 8 Prozent südamerikanische Gene.
Die immer ausgefeilteren Analysealgorithmen erlauben mittlerweile, solche genetischen Beimischungen nicht nur aufzudecken, sondern auch zeitlich einzuordnen. Dabei ergibt sich naturgemäß, dass erst nach der "Entdeckung" der Osterinsel durch den Holländer Jakob Roggeveen 1722 europäisches Erbgut einzuschleichen begann – vor allem als ab 1862 das düstere Kapitel der Insulaner-Verschleppung von den Inseln einsetzte und europäische Sklavenhändler sich auf der Insel festsetzten. Als Chile 1888 das Eiland annektierte, wurden die Verbindungen dann nochmal enger.
Mit aller Vorsicht schon in den Jahren zwischen 1310 und 1420, ganz sicher aber vor der Mitte des 18. Jahrhunderts mischten sich jedoch bereits deutliche südamerikanische Einflüsse in den Genpool der Osterinsulaner, zeigen die Gendaten. Das bestätigt frühere, noch weniger genaue Erkenntnisse, die bis dato aber niemand so ganz hatte glauben wollen [2]. Dabei sammeln sich schon seit Anfang des letzten Jahrhunderts Indizien auf Indizien für einen frühen, präkolumbianischen kulturellen Austausch zwischen Amerika und den verschiedenen Inseln Polynesiens: Bootstypen und Angelgerät sowie ihre Benennung ähneln sich hier und dort und Süßkartoffel wie Flaschenkürbis fanden ihren Weg von Ost nach West. In Gegenrichtung reisten womöglich Hühner: In einer (allerdings wegen Datierungsproblemen nicht unumstritteten [3]) Studie konnte "polynesisches Erbgut" in Knochenresten von Federvieh nachgewiesen werden, dass vor den ersten europäischen Hühnern nach Amerika importiert worden war.

Moais auf der Osterinsel
Eine Reihe von Moais auf der Osterinsel. Schon seit langer Zeit versuchen Archäologen, die Statuen und die Bauweise der Plattformfundamente (den "Ahu") mit südamerikanischen Vorbildern zu erklären – bis dato aber noch nie wirklich für alle Experten überzeugend. Immerhin zeigen neue Genuntersuchungen, dass tatsächlich folgenreiche Kontakte zwischen dem entfernten Rapa Nui und dem Kontinent bestanden.
Die südamerikanischen Gene in den Rapanui belegen den frühen Kontakt zwischen Osterinsel und Amerika nun aber wohl endgültig. Wie die Navigatoren den Rückweg auf die Insel geschafft haben – offensichtlich mitsamt neuen südamerikanischen Genen und GespielInnen – bleibt unbekannt, aber jedenfalls ein Meisterstück. Vielleicht gelang die Reise in machen Zeiten und Klimafenstern leichter. Eine Frage bleibt indes offen: Traten überhaupt alle aus Polynesien stammenden Amerikaentdecker die Rückreise an?
Polynesier besiedeln Brasilien
Bisher gab es auf diese Frage keine Antwort. Und selbst Genforscher hofften eigentlich nicht unbedingt auf eine; denn wahrscheinlich, so ihre Annahme, ist ein etwaiger genetischer Einfluss weniger polynesischer Immigranten im Genpool der vielen Amerikaner schlicht nicht eindringlich genug und wäre längst zu stark verdünnt, um ihn heute nachweisen zu können. Falsch gedacht, meint Willerslev nun in einer zweiten Publikation, die er mit einem Team von Forschern durchgeführt hat.
Dabei untersuchte das Team die Schädel von brasilianischen Ureinwohnern, den Botocudos (auch Botokuden, Aymoré oder Krenak genannt). Diese indigenen Südamerikaner – benannt sind sie nach den charakteristischen Holzscheibenschmuck in der Oberlippe, den "Botoques" – lebten einst vor allem in den Küstenregionen des heutigen brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais. Heutzutage gibt es nur noch sehr wenige Angehörige dieses Stammesverbunds, der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von den europäischen Siedlern in einen jahrzehntelangen, brutalen Vernichtungskampf getrieben wurde. Ihm fielen wohl auch zwei Krieger zum Opfer, deren Schädel in einer brasilianischen Museumssammlung aufbewahrt sind.
Zuletzt waren diese Schädel genetisch untersucht worden, wobei auffiel, dass die beiden Männer offensichtlich polynesisches Erbgut gehabt hatten. Wahrscheinlich, so die Erklärung, gehörten sie also zu den Unglücklichen, die im Zuge der Sklaverei nach Südamerika verschleppt wurden. Sie könnten die Südseegene etwa aus Madagaskar mitgebracht haben (von wo viele Sklaven mit ozeanischen Vorfahren stammen); oder vielleicht aus Polynesien selbst, wo in den Jahren 1862 bis 1864 zahlreiche Menschen versklavt worden waren.

Die indigenen Botocudos – benannt nach dem Holzscheibenschmuck in der Oberlippe, den "Botoques" – waren vor allem in den Küstenregionen von Zentralbrasilien beheimatet. Zwei alte Schädel, die von Anthropologen gesammelt und durch eine Aufschrift als den Botocudos zugehörig gekennzeichnet wurden, haben Forscher jetzt genetisch untersucht.
Beides kann aber nicht stimmen, meinen nun Willerslev und Co nach einer neuen und viel genaueren Untersuchungen des Erbguts der Toten [4]. Zum einen zeigen beide Botocudos keinerlei nicht polynesisches Genmaterial – eine typische Beimischung afrikanischer Genen sei aber sicher, wenn sie oder ihre Vorfahren aus Madagaskar verschleppt worden wären. Wichtiger aber sei, dass die beiden Toten deutlich früher gelebt hatten als bisher angenommen: Die (wegen verschiedener Umstände recht kniffelige) Radiokarbondatierung ihrer Zähne belegt, dass sie fast sicher schon vor 1760 gestorben waren – und womöglich eher sogar im 16. oder frühen 17. Jahrhundert gelebt haben. Mithin: Lange bevor Europäer Sklaven, geschweige denn Sklaven aus Polynesien nach Brasilien gebracht haben. Noch stehen weitere Untersuchungen aus, aber Willerslev ist recht sicher: Die Botocudos oder ihre Vorfahren scheinen selbst aus dem Pazifikraum eingewandert zu sein, haben den ganzen südamerikanischen Kontinent durchquert und sich schließlich an der Ostküste niedergelassen.
Das wirft – auch wenn handfeste Gegenargumente fehlen – natürlich allerlei Fragen auf. Warum, zum Beispiel, haben sich die Polynesier in Südamerika offenbar lange Zeit nicht mit Südamerikanern vermischt? Warum verwendeten sie, ungeachtet der offensichtlich fehlenden Kontakte mit dem Rest Südameras, trotzdem ein einheimisches, den Macro-Ge-Sprachen zugehöriges Idiom, als die Europäer sie kontaktierten (und töteten)? Könnte es sich um einen großen Zufall handeln (etwa zwei um das Jahr 1750 an Bord europäischer Schiffe nach Brasilien gereister Polynesier, die zufällig beide im selben Stamm im Landerinneren landeten)?
Ganz klar: "Es ist schwer zu erklären, warum wir die ältesten polynesischen Genspuren Südamerikas mitten im brasilianischen Urwald gefunden haben", meint die Willerslev-Gruppe – und will vor allem erst einmal andere Botocudo-DNA genauso penibel untersuchen wie die Spuren aus den beiden nun erforschten Schädeln. Klar sei aber, dass die bisher gefundenen Erbgut-Spuren aus Polynesien stammen, und dass sie viel älter sind als 200 Jahre. Und ebenso sicher ist, dass vielleicht schon im Mittelalter Polynesier nach Amerika segeln konnten – sie werden auch irgendwo auf dem Weg nach Brasilien Spuren hinterlassen haben, hoffen die Forscher.

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QUELLEN

Und es gab ihn doch – den Kontakt zwischen Südamerika und der Osterinsel mitten im Pazifik.

Neue DNA-Vergleiche belegen, dass sich vor rund 800 Jahren die polynesischen Bewohner der Osterinsel mit Ureinwohnern Südamerikas gekreuzt haben. Ob sie damals per Floß nach Westen reisten und zurück oder ob Indianer sie besuchten, ist allerdings noch unklar, wie Forscher im Fachmagazin “Current Biology” berichten.

Riesige Steinköpfe mit großen Nasen und langen Ohren blicken Ankömmlingen entgegen: Die gewaltigen steinernen Moais der Osterinsel sind so geheimnisvoll wie weltberühmt. Woher ihre Erbauer kamen, war lange umstritten. Der norwegische Abenteurer Thor Heyerdahl glaubte, in den Osterinsel-Statuen Ähnlichkeiten zu südamerikanischen Skulpturen zu erkennen und vermutete deshalb, die Ureinwohner seien ursprünglich aus Südamerika gekommen.

Polynesische Wurzeln
Dass eine Seereise von Südamerika aus bis zu dieser entlegenen Pazifikinsel selbst mit einem einfachen Floß möglich ist, belegte Heyerdahl 1947 in seiner berühmtem Kon-Tiki-Expedition. Mit einem Floß aus Balsaholz segelte er von Peru bis zu den Tuamotu-Inseln Französisch-Polynesiens. Die gängige Lehrmeinung und zahlreiche archäologische und genetische Hinweise sprachen und sprechen allerdings gegen eine Erstbesiedelung der Osterinsel aus Südamerika.
Stattdessen geht man heute davon aus, dass die Ureinwohner der Osterinsel polynesischen Ursprungs sind. Das Seefahrervolk breitete sich vom asiatischen Festland kommend nach Osten und Süden aus und erreichte dank günstiger Klimaumstände vor gut 1.200 Jahren auch die Osterinsel. Offen blieb jedoch, ob die Bewohner der Insel anschließend Kontakt mit den Menschen im etwa 4.000 Kilometer entfernten Südamerika aufnahmen.

Anteile indianischer Gene
Victor Moreno-Mayar vom Museum für Naturgeschichte in Kopenhagen und seine Kollegen haben dies nun erneut mittel Genanalysen überprüft – und bestätigt. Vergleiche des Genoms der 27 untersuchten Osterinsel-Bewohner ergaben, dass ihr Erbgut zu 76 Prozent polynesisch, zu 16 Prozent europäisch und zu 8 Prozent indianisch-amerikanisch ist.
“Die Präsenz von Genen amerikanischer Ureinwohner allein beweist noch nicht, dass es einen präkolumbianischen Kontakt gab”, räumen die Forscher ein. Doch die DNA-Analysen zeigten auch, wann es zur Einkreuzung des indianischen Erbguts kam. Demnach geschah dies etwa zwischen 1280 und 1425 – rund 400 Jahre, bevor die ersten Europäer die Osterinsel betraten.

Ausflüge nach Südamerika?
Wie genau der Kontakt zwischen den Nachfahren der Polynesier und südamerikanischen Indianern damals ablief, ist allerdings unklar. Nach Ansicht von Moreno-Mayar und seinen Kollegen ist es jedoch wahrscheinlicher, dass die Polynesier von der Osterinsel aus nach Osten segelten und dann von dieser Reise zurückkehrten – möglicherweise in Begleitung von Indianern. Denn die Küste Südamerikas ist bei einer solchen Fahrt quasi nicht zu verfehlen, umgekehrt ist die Chance verschwindend gering, die Osterinsel bei einer Fahrt von Osten aus durch Zufall zu finden.
Thor Heyerdahl lag demnach zumindest nicht komplett falsch: Es gab Kontakt zwischen Südamerika und der Osterinsel – auch wenn dieser wahrscheinlich von den Polynesiern ausging und nicht von den Indianern. Dafür spricht auch ein Fund, den Forscher vor kurzem in Brasilien machten: Dort entdeckten sie zwei alte Schädel von Ureinwohnern, deren Erbgut sich als rein polynesisch erwies – auch dies spricht für Besuche der Pazifikbewohner auf dem Kontinent.
Und auch die Seereise zwischen den beiden Regionen, die er mit der Kon-Tiki nachvollzog, hat offensichtlich mehrfach stattgefunden. Das belegt erneut, dass auch für vermeintlich primitive Kulturen die Ozeane keine unüberwindbare Barriere waren.

Quellen: Current Biology/scinexx.de vom 24.10.2014